Mikromobilität 2023: Eine Studie zu Light Electric Vehicles (LEVs)

Elektrische Kleinstfahrzeuge werden in der Öffentlichkeit häufig kontrovers diskutiert. Ziel der vorliegenden Studie ist, die öffentliche Diskussion mit Zahlen zu unterstützen.

Die Protagonisten von LEVs sehen in der Mikromobilität einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende in deutschen Großstädten. Dabei werden LEVs in der öffentlichen Diskussion auch häufig kritisch kommentiert. Wir von UScale wollten deshalb genauer hinschauen und haben nachgefragt.

Wie denkt Deutschland wirklich über Mikromobilität und elektrische Kleinstfahrzeuge?

In einer repräsentativen Umfrage von über 1000 Menschen in Deutschland wurde die Einstellung der Befragten zur Mikromobilität erhoben. Besitzer und Käufer wurden zusätzlich zu ihren Erfahrungen im Kaufprozess und der Nutzung befragt. Für tiefergehende Analysen wurden zusätzlich zur repräsentativen Umfrage weitere rund 800 Käufer und Besitzer nach ihren Erfahrungen befragt.

Vorneweg aber: Was genau verstehen wir unter LEVs? Der Begriff Light Electric Vehicles umfasst eine Vielzahl von verschiedenen Fahrzeugen (Abb. 1).

Übersicht: Verschiedene LEV-Fahreuge
Abb. 1: Verschiedene Light Electric Vehicles

LEV-Fahrende leben häufiger auf dem Land als in der Stadt, sind über alle Altersgruppen verteilt und verdienen gut.

Anders als oft kolportiert, ist Mikromobilität kein Phänomen der Großstädte. Die Anzahl der LEVs auf dem Land ist sogar höher als der in der Stadt. Berücksichtigt man die Verteilung der Menschen in Deutschland, ist die Dichte der LEVs (Fahrzeuge / Einwohner) über alle Ortsgrößen gleich (Abb. 2).

LEV-Fahrerinnen und Fahrer sind über alle Altersgruppen verteilt. Gerade Ältere entdecken inzwischen die Vorzüge von eScootern und anderen LEVs. Für sie ist ein LEV oft eine Möglichkeit, bei gesundheitlichen Einschränkungen überhaupt noch mobil zu bleiben.

Leider gehören LEV-Fahrende zu den eher Gutverdienenden Menschen im Lande. Der Anteil derer, die über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von € 4000,- oder mehr verfügen, liegt bei gut 50%, während dieser Anteil unter der Gesamtbevölkerung nur bei rund 30% liegt.

Abb. 2: Demographics der LEV-Besitzenden

Die Hälfte der der LEV-Besitzenden fährt seit der Anschaffung des LEVs weniger Auto.

Mit einem LEV kommt ganz offenbar nicht nur ein neues Stück Technik in die Haushalte. Tatsächlich geben über 50% der LEV-Fahrenden an, dass sie weniger Auto fahren, seitdem sie ein LEV besitzen. Immerhin 8% haben mit der Anschaffung des LEVs sogar ein Auto im Haushalt abgeschafft. 6% geben an, weniger mit den Öffentlichen zu fahren (Abb. 3).

Für LEV-Besitzerinnen und -Besitzer ist ihr Gefährt also ein ernstzunehmendes Verkehrsmittel und eine wichtige Ergänzung zu ihrer persönlichen Mobilität, das hilft, den Verkehr in Summe zu entlasten.

LEV-Studie 2023: Mikromobilität in Deutschland (Einstellungen und Verhalten von Nicht-Interessierten, Käufern, Besitzern)
LEV-Studie 2023: Mikromobilität in Deutschland (Einstellungen und Verhalten von Nicht-Interessierten, Käufern, Besitzern)

Positive Grundeinstellung unter der Gesamtbevölkerung

Vor allem in der größeren Städten wird das Bild von LEV von den vielen Sharing-Angeboten überlagert, die zu häufig zu Problemen führen. Hauptärgernis sind die auf Gehwegen wild geparkten eScooter und teilweise nur bedingt angepasstes Fahrverhalten der Nutzenden.

Trotzdem steht die ganz große Mehrheit der Gesamtbevölkerung der Mikromobilität positiv gegenüber. Rund 30% sind überlegen ein LEV zu kaufen. Von den übrigen 70% geben nur 13% an, dass sie von LEVs nicht viel halten. Die meisten von denen haben persönlich schlicht keinen Bedarf oder halte die Gefährte für zu teuer. Nur jeder Dritte von ihnen (also 5% von allen) lehnen LEVs grundsätzlich ab (Abb. 4).

Abb. 4: Grundeinstellung zu LEVs

Gründe für die Ablehnung sind häufig die oben beschrieben Erfahrungen mit Nutzenden von Leihfahrzeugen. So werden LEVs tendenziell als gefährlich wahrgenommen, was zum Ruf nach Regulierung führt (Abb. 5).

Abb. 5: Einstellung von Besitzern vs. Nicht-Besitzern

LEV-Kaufprozess: Information online, Kauf offline

Käufer informieren sich ganz überwiegend bei verschiedenen Online-Quellen. Die, die sich beim Händler informieren, sind am zufriedensten mit der Beratung. Gekauft wird schließlich aber meist beim Händler. Anbieter und Händler müssen sich auf die Besonderheiten des Informations- und Kaufprozesses einstellen (Abb. 6).

Abb. 6: Info-Quellen und Kauforte von LEVs

Wünsche an die Hersteller von LEVs

Der Markt für LEVs ist geprägt von einer Vielzahl an vergleichsweise kleinen Herstellern. Das macht den Aufbau von Vertriebs- und Servicestrukturen in der Fläche schwierig. Trotzdem können Hersteller ihren Service verbessern, wenn sie sich auf die spezifischen Bedarfe einstellen.

Auch an die technische Konzeption vieler Fahrzeuge gibt es zahlreiche Wünsche. Die genannten Themen zeigen, dass viele Hersteller noch nicht die erwartete Ausstattung und Qualität liefern.

Wünsche an Politik und Verwaltung

Nutzenden und Nicht-Nutzenden haben zu weiten Teilen ähnliche Wünsche an die Politik und die öffentliche Verwaltung in den Rathäusern vor Ort.

Infrastruktur

Der öffentliche Verkehrsraum ist quasi nicht auf elektrische Kleinstfahrzeuge eingestellt. Es fehlen vor allem geeignete Flächen zum Fahren. So sind Kleinstfahrzeuge auf Autostraßen zu langsam (und zudem gefährlich für die Fahrenden), auf Gehsteigen zu schnell (und gefährlich für Fußgänger) und auf Radwegen häufig nicht zugelassen.

Dazu kommt der Bedarf an geeignetem Parkraum. Je mehr LEVs in der Stadt fahren, desto dringender werden designierte Parkflächen jenseits der Gehsteige und Parkhäuser.

Weitere Bedarfe an die Infrastruktur beziehen sich auf das Laden. Für Kleinstfahrzeuge wie eBikes oder eScooter gibt es nahezu keine Lademöglichkeiten in Innenstädten. eMotorräder können an den gleichen Ladepunkten wie Autos geladen werden. Diese sind häufig in Parkhäusern, in die Motorräder teilweise nicht einfahren dürfen.

Regulierung

In jedem Fall wünschen sich alle Beteiligten klarere Regeln: Fußgänger möchten geschützt sein vor LEV, LEV-Fahrende möchten vor Autos geschützt fahren. Dazu kommen unterschiedliche Regelungen für verschiedenen LEVs, z.B. eScooter und eBikes.

Befragte von Kleinstfahrzeugen ohne Lenkstange (eSkateboards, Mono-Wheels oder One-Wheels) beklagen zudem, dass ihre Fahrzeuge zwar enorm praktisch für viele Anwendungen sind, aber in Deutschland überhaupt nicht für den öffentlichen Verkehrsraum zugelassen sind. Dabei ist nicht erkennbar, warum die Fahrzeuge nicht erlaubt sind. Mögliche Gefahren für Nutzende und Dritte ließen sich durch entsprechende Verkehrsflächen reduzieren.

Förderung

Viele Nutzende und Kaufinteressierte beklagen, warum elektrische SUVs finanziell gefördert werden, elektrische Kleinstfahrzeuge aber nicht. Angesichts des hohen Beitrags zur Entlastung des Verkehrs ist das nur schwer begründbar.

Die vorliegende Studie ist die erste Studie dieser Größe und Art in Deutschland. Neben der Politik und Verwaltung zeigt sie Herstellern wo die Potenziale und Verbesserungsmöglichkeiten in der Entwicklung, im Vertrieb und im Service liegen.

Weitere Informationen zur Studie finden in der Pressemitteilung des BEM Bundesverband eMobilität e.V. HIER.