Große Verschiebungen bei den Marktanteilen der Lade-Service-Anbieter (eMSP)

Wer mit einem Elektroauto durch Deutschland fährt, braucht noch immer mehrere Ladekarten, RFID-Chips oder Apps um ladetechnisch sicher und komfortabel an sein Ziel zu kommen.

In Deutschland gibt es eine hohe dreistellige Zahl von Ladeservice-Anbietern. Das Feld der Anbieter ist groß: Neben überregionalen Energieversorgern und Stadtwerken sind unabhängige Roamingservices, Einzelhändler, Charge-Point-Operator (CPOs), aber auch Autohersteller und andere, wie die Mineralölwirtschaft und der ADAC, mit Angeboten auf dem Markt.

Mindestens drei Ladekarten, RFID-Chips oder Lade-Apps

Seit vier Jahren befragt UScale Elektroauto-Fahrer und -Fahrerinnen danach, welche Ladeservices sie nutzen, welchen davon bevorzugt und warum. Im Sommer 2022 haben wir erneut über 1.800 Menschen befragt, die mit ihrem eAuto regelmäßig öffentlich laden. Die Befragten hatten ihr Elektroauto seit durchschnittlich zwei Jahren. Sie haben also viel Erfahrung mit dem öffentlichen Laden und wissen, wovon sie reden.

Die Anzahl der Ladeservices, die die Befragten aktiv, d.h. zumindest gelegentlich nutzen, ist in den letzten Jahren deutlich gefallen. Nun steigt sie erstmals wieder leicht, bleibt aber unter 4.

Abb. 1: Anzahl der aktiv genutzten Ladeservices

Elektroautofahrer nutzen nicht alle Services gleich oft. Vielmehr haben die Befragten einen Favoriten, den sie bevorzugt nutzen. Die übrigen Services werden nur in bestimmten Situationen genutzt, in denen sie spezifische Vorteile bieten.

EnBW mit großem Abstand Marktführer bei den Ladeservices

Für unsere Analyse waren zwei Größen entscheidend: Zum einen müssen Autofahrerinnen und -Fahrer ein Ladeangebot überhaupt „auf dem Schirm“ haben, d.h. einen Vertrag abgeschlossen, den Services auf dem Smartphone geladen haben oder registriert sein (Active Use). Da Geschäftsmodelle zum Laden auf nutzungsbasierten Vergütungsmodellen basieren, ist für Anbieter die tatsächliche und bevorzugte Nutzung der Services entscheidend (Preferred Use). Aus dem Anteil, wie oft ein Anbieter bevorzugt genutzt wird, haben wir den Marktanteil berechnet. Dieser Wert repräsentiert in etwa den Status-Quo und ermöglicht, Veränderungen über die Jahre zu verfolgen.

Auf Platz 1 behauptet sich die EnBW mit mobility+ und ihrem Schwesterangebot ADAC eCharge. Zusammen können sie ihren Marktanteil noch einmal auf rund 40% ausbauen.

Abb. 2: Marktanteile wichtiger Anbieter, bzw. Anbietergruppen

Auf Platz 2 folgt die Gruppe der Autohersteller mit einem Marktanteil von 25%. Auch sie haben im Vergleich zum vergangenen Jahr zulegen können. Auffällig ist, dass Tesla keine Sonderrolle mehr einnimmt: Tesla-Besitzer nutzen den markeneigenen Ladeservice nicht öfter als der Durchschnitt der Besitzerinnen vieler anderer Marken.

Neben den Angeboten der EnBW fallen die Ladeservices aller anderen überregionalen Energieversorger deutlich zurück. Zusammen erreichen sie einen Marktanteil von nur noch 10%. Die Summe aller Stadtwerke kommt auf einen Marktanteil von 6%.

Der Anteil der unabhängigen Roaminganbieter, wie Shell Recharge, Plugsurfing, Chargemap u.a. hat sich weiter verringert auf aktuell 8%. Als „Universalwerkzeug“ im Anbietersortiment spielten sie in den Anfangstagen der Elektromobilität eine wichtige Rolle. Mit der Verbesserung der anderen Angebote verlieren sie an Bedeutung.

Das gleiche Schicksal teilen die sogenannten Navigation Service Provider. Dabei handelt es sich meist um Verzeichnisse, die auf den frei verfügbaren Daten von Going Electric aufbauen, aber keine Bezahlmöglichkeit bieten. Sie nehmen inzwischen nur noch 2% Marktanteil ein.

Erstmals tauchen in unserer Analyse zwei Anbietergruppen auf, die bisher keine relevante Rolle gespielt haben. Das sind zum einen die Einzelhändler, die teilweise Energieversorger mit dem Betrieb beauftragen, aber auch selbst als Betreiber auftreten. Sie kommen auf rund 4% Marktanteil. Mit 3% Marktanteil folgen die Charge-Point-Operator (CPOs), die Kunden mit eigenen Ladeverträgen, d.h. ohne den Umweg über einen eMobility Service-Provider (eMSP) direkt an sich binden.

Auf 2% Marktanteil kommen Angebote von Arbeitgebern, die ihre Mitarbeitenden mit Dienstwagen an Ladeverträge der Akzeptanznetzwerke der Mineralölgesellschaften binden.

Unter den Sonstigen 1% finden sich vor allem Flatrate-Anbieter, wie elvah.

Deutliche Veränderungen im Markt der Ladeservices in den letzten Jahren

In den letzten vier Jahren hat es deutliche Verschiebungen gegeben. Das Angebot von mobility+ überzeugt auf der Leistungsseite und im Preis. Durch die Kooperation mit dem ADAC konnte die EnBW zusätzliche Reichweite erzielen und auch Nichtnutzer des EnBW-Hausstroms mit einem günstigen Tarif ansprechen. So gibt es inzwischen nur noch wenige eAuto-Fahrer, die die Angebote der EnBW nicht nutzen. Der Anteil der Preferred User hielt aber nicht mit mit dem gestiegenen Anteil der aktiven Nutzer.

Abb. 3: Entwicklung der Marktanteile von EnBW (mobility+ und ADAC eCharge) und Angeboten der Autohersteller

Auch die OEM-Ladeangebote konnten deutlich zulegen. War der Markt 2019 noch fast vollständig von Tesla geprägt, bieten heute viele Autohersteller gebrandete Ladeservices an. Die Nutzung des markeneigenen Services ist von Marke zu Marke sehr unterschiedlich. Auffällig ist, dass Besitzerinnen und Besitzer den Tesla-eigenen Ladeservice nicht mehr häufiger bevorzugt nutzen als der Durchschnitt vieler anderer Marken.

Abb. 4: Entwicklung der Marktanteile Shell Recharge

Bemerkenswert ist die Entwicklung der unabhängigen Roaminganbieter. Nach zwei Jahren mit hohen Verlusten stabilisieren sich die Marktanteile langsam. Als größter unabhängiger Roaminganbieter kann Shell Recharge seinen Marktanteil sogar leicht ausbauen.

In welche Richtung wird sich der Markt in den nächsten Jahren entwickeln?

Viele Experten sind der Meinung, dass Ladestrom eine klassische Commodity ist, d.h. ein standardisiertes Produkt ohne nennenswerte Leistungsunterschiede, bei der am Ende der Preis entscheidet. Unsere Kundenstudien zeigen, dass der Preis sehr wichtig ist, aber nicht allein entscheidet. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen.

Kundenstudien schauen in die Vergangenheit, zeigen aber Trends. Kennt man die Ursachen für diese Trends, kann man einen Blick in die Zukunft werfen. Dazu kommen Einflüsse aus den bekannten gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Markt verändern. Diese haben Rückwirkungen auf die Angebote der Service-Provider und die Nutzer, die ihr Verhalten immer wieder anpassen. Ein Beispiel ist das Ad-hoc-Bezahlen an der Ladesäule. Bezahlterminals erhöhen die Kosten der Betreiber, erlauben CPOs aber auch, den Ladestrom selbst mit dem Ladekunden abzurechnen und eMSPs zu umgehen. So ergeben sich neue Chancen für CPOs, Payment-Anbieter und Vermittlungsplattformen.

Durch den aktuell deutlichen Anstieg der Stromkosten werden die Preise noch wichtiger. Elektroautofahrer und -Fahrerinnen schauen genauer hin, reagieren auf Direktangebote der Betreiber und sind offen für variable Tarife.  

Plug & Charge und Autocharge verbreiten sich weiter und ermöglichen Anbietern, Kunden mit mehr Komfort an sich zu binden.

Dazu haben viele Einzelhändler die Chancen erkannt, dass sie mit Ladeangeboten Kundeninnen und Kunden zum Einkaufen in ihre Ladengeschäfte ziehen und zusätzliche Umsätze generieren können.

Wo liegen die Chancen für die Servicebetreiber?

Die Veränderungen im Markt helfen einigen Anbietergruppen, ihre Position zu stärken. Für andere wird die Situation schwieriger. Unsere Studiendaten zeigen aber, dass jeder Ladeservice-Anbieter spezifische Stärken bietet.

Ein Beispiel sind die Angebote der Navigation-Service-Provider (NSP). Als wichtigste Nutzungsgründe nennen Elektroautofahrerinnen und -fahrer die hohe Funktionalität, die gute Bedienbarkeit und die Aktualität der Informationen (Abb. 4). In den anderen Kategorien bieten die anderen Anbietergruppen mehr.  

Abb. 5: Wichtigste Gründe für die bevorzugte Nutzung des Angebots eines Navigation-Service-Providers (NSP) im Vergleich zum Durchschnitt.

Anbietergruppen müssen die spezifischen Stärken ihres Angebots aus Nutzersicht kennen und ausbauen. Gleichzeitig müssen sie prüfen, wie sie die Stärken ihrer Wettbewerber und für die Zielgruppe passende Mehrwertdienste im eigenen Angebot integrieren. So können sie ihre eigene Marktposition ausbauen.

Wir von UScale werden den Markt weiterhin genau verfolgen. Wir werden die eMSP-Benchmarking-Studie im kommenden Jahr in jedem Fall wieder durchführen und sind schon heute gespannt.

Dr. Axel Sprenger

15.11.2022

Weitere Informationen zur eMSP-Benchmarking-Studie finden Sie HIER.