Baut Tesla wirklich das beste Elektroauto?

Zu Autos und einzelnen Modellen gibt es vermutlich mehr Meinungen, als es Autofahrerinnen und Autofahrer gibt. Da hat jeder eine Meinung. Die EV-Benchmarking-Studie 2022 zeigt die Meinung von über 3000 eAuto-Fahrerinnen und -Fahrern.

Wer bestimmt eigentlich, was ein gutes Auto ist?

Die Frage ist schwerer zu beantworten, als es scheint. An erster Stelle fallen einem eine Reihe von Experten ein, die ihre Analysen mit der Öffentlichkeit teilen. Dazu gehören der TÜV Report, Restwerttabellen von Schwacke und DAT oder die vielen Vergleichstests der einschlägigen Autozeitschriften. Die meisten der ermittelten Kennzahlen sind objektiv ermittelt und für die Branche und Verbraucher von großem Wert.

Die Frage ist schwerer zu beantworten, als es scheint. An erster Stelle fallen einem eine Reihe von Experten ein, die ihre Analysen mit der Öffentlichkeit teilen. Dazu gehören der TÜV Report, Restwerttabellen von Schwacke und DAT oder die vielen Vergleichstests der einschlägigen Autozeitschriften. Die meisten der ermittelten Kennzahlen sind objektiv ermittelt und für die Branche und Verbraucher von großem Wert.

Da Autos aber emotionale Produkte sind, braucht es mehr als Messwerte und Kennzahlen. Wir möchten deshalb die Menschen zu Wort kommen lassen, die ihre Autos täglich fahren. Sie wissen, was ein Auto wirklich kann und welche Versprechen der Werbung nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch den Anforderungen der Praxis genügen.

Ich, der Autor dieses Beitrags, bin selbst Ingenieur und habe 20 Jahre in und mit Entwicklungsabteilungen großer Autohersteller gearbeitet. Dabei habe ich früher oft die Aussage gehört, dass die Meinung des Nutzers ja nur subjektiv und deshalb nicht richtig verwendbar sei. Diese Sichtweise hat sich inzwischen deutlich geändert. In den Entwicklungsabteilungen aller Autohersteller wird das Feedback der Kunden heute sehr genau gelesen und analysiert.

Customer testing a new car
Erfüllt das Auto meine Erwartungen?

Wie können Unternehmen mit Kundenfeedback arbeiten?

Bei der Arbeit mit Kundenfeedback sind einige Aspekte zu beachten. So messen Kunden ihre Erfahrungen mit einem Auto immer an ihren Erwartungen. Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Erwartungshaltung ist der Preis. Von einem Porsche Taycan erwarte ich mehr als von einer Renault ZOE. So kommt es, dass ein Dacia theoretisch besser abschneiden kann als ein Mercedes.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist, dass jede Einzelmeinung zählt, aber nicht jeder Wunsch umgesetzt werden kann. Um die vielen subjektiven Einzelmeinungen zu verobjektivieren, befragt man möglichst viele Fahrerinnen und Fahrer einer Marke und arbeitet dann mit Mittelwerten, Medianen und Verteilungen. Je höher die Stichprobe, desto besser, aber für Tendenzaussagen genügen Stichproben um die 30, für fundierte Analysen sind Stichproben von 100 pro Modell sehr gut.

In der EV-Benchmarking-Studie haben wir im Sommer 2022 rund 3.300 eAuto-Fahrerinnen und -Fahrer nach den Eindrücken mit ihrem Elektroauto befragt. Konkret wollten wir wissen, wie sie ihr Auto und dessen Funktionen nutzen, welche Probleme sie dabei haben, für wie ausgereift sie die Konzepte halten und welche Empfehlungen sie an die Autohersteller und deren Entwicklungsabteilungen haben.

Die Zufriedenheit mit den eAutos sinkt, obwohl die Autos objektiv besser werden

Elektroautos von heute sind nicht vergleichbar mit den Modellen, die vor 10 Jahren auf den Markt gekommen sind. Objektiv gesehen hat sich also eine Menge getan.

Kennen Sie die Fragestellung, mit welcher Wahrscheinlichkeit Sie ein Produkt einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen würden? Marktforscher berechnen aus den Antworten den sogenannten Net Promoter Score (NPS), eine Kennzahl, die die Weiterempfehlungsbereitschaft und damit die Gesamtzufriedenheit mit einem Fahrzeug beschreibt. Zur Überraschung bildet der NPS-Wert die technische Verbesserung der Elektroautos nicht ab. Im Gegenteil: Seit unserer Messung im Jahr 2020 fallen die Werte sogar leicht (Abb. 1).  

Abb. 1: NPS-Werte über voll batterieelektrische Elektroautos im Raum DACH

Die Gründe liegen auf der Hand: Während die Technik besser wird, kommen sukzessive neue Kundensegmente in den Markt. Die ersten Elektroautofahrer, die sogenannten Innovatoren, waren vielfach noch Abenteurer, die über so manches technische Problem großzügig hinwegsahen. Die Early Adopter, die in den letzten zwei, drei Jahren ein Elektroauto kauften, sind anspruchsvoller. Die Erwartungen steigen also schneller, als die Technik besser wird.  

Große Unterschiede zwischen den Automarken

Kommen wir zurück auf unsere Einstiegsfrage, nämlich ob Tesla das beste Elektroauto ist. Gemessen am Net Promoter Score ist die Antwort ein knappes ja (Abb. 2). Mit 81 Punkten führt Tesla das Feld an. Mit nur einem Punkt Abstand folgt Polestar knapp dahinter.

Abb. 2: NPS-Werte einzelner Marken (nur voll batterieelektrische Modelle)

Die gezeigten Werte sind Mittelwerte über alle Modelle einer Marke. Von daher lohnt ein Blick aufs Detail: Bei BMW schneiden die neuen Modelle, wie der iX4 deutlich besser ab als der technologisch betagte i3. Bei Mercedes sind hauptsächlich die Modelle EQA und der EQC in der Studie enthalten. EQE und EQS sind technologisch auf einem neueren Stand, aber hier noch nicht in der Studie enthalten.

Interessant für uns war, dass der Ford Mustang Mach-E deutlich besser abschneidet als die ID-Modelle von VW. Der Mach-E basiert auf einer eigenen Ford-Plattform aus den USA. Im kommenden Jahr wird Ford einen Crossover vorstellen, der auf der MEB-Plattform von Volkswagen aufbaut.

Die Modelle von VW und Skoda teilen sich bereits heute eine Plattform, unterscheiden sich an verschiedenen Stellen aber offenbar so stark, dass dies beim Nutzer zu deutlich unterschiedlicher Wahrnehmung führt. Umgekehrt verhalten sich die Schwestermarken Opel und Peugeot unter dem Dach von Stellantis. Opel und Peugeot teilen ganz offenbar einen großen Teil ihrer Gene, während Fiat eigene Wege geht und deutlich besser abschneidet als die beiden Schwestermarken. 

Bemerkenswert ist das schlechte Abschneiden von Aiways, dem ersten chinesischen Hersteller in unserer Studie mit ausreichender Stichprobe.

Ein Wort zu Nissan: Bewertet wurde hier das letzte Modelljahr des Nissan Leaf. Wir sind sehr gespannt, wenn im kommenden Jahr erstmals der Ariya in der Studie aufschlägt.

Was macht ein gutes Elektroauto aus?

Natürlich muss ein Elektroauto überall dort überzeugen, wo ein Verbrennerfahrzeug auch überzeugen muss. Aber es gibt einige zusätzliche Funktionen, die beim elektrischen Fahren dazukommen, bzw. an Bedeutung gewinnen. Zu den EV-spezifischen Aspekten sehen die Befragten drei große Themenfelder, in denen ein eAuto punkten muss. Hier sehen sie auch die größten Handlungsbedarfe über alle Hersteller:

  • Themenfeld Reichweite, Verbrauch und Laden
  • Themenfeld e-spezifische Funktionen, wie Anzeigen, Ladesäulensuche und Laden
  • Themenfeld Connectivity und Software

Als viertes Themenfeld nennen die Befragten noch den Bereich Qualität und NVH (NVH steht für Noise, Vibration, Harshness, also einen Teil des Fahrkomforts). Beides sind eher klassische Disziplinen, die auch aus der Verbrennerwelt bekannt sind. Da eine Marke hier besonderen Handlungsbedarf hat, haben wir dieses Themenfeld aber noch mit aufgenommen.

Die Marken zeigen zu einem großen Teil sehr unterschiedliche Handlungsbedarfe (Abb 3 bis 5). 

Abb. 3: Handlungsempfehlungen an Autohersteller

Tesla, der Sieger unserer Befragung, zeigt noch immer große Handlungsbedarfe bei den klassischen Feldern, der Qualität und Geräuschen aller Art. Audi und Porsche leiden unter den in der Presse vielfach diskutierten Software-Problemen. Dazu kommen bei Audi ein hoher Verbrauch, der sich in der Reichweite niederschlägt. Obwohl Polestar auf Platz 2 unseres Rankings liegt, gibt es deutliche Kritik an der Connect-App, die erst spät eingeführt wurde, und dem hohen Verbrauch.

Abb. 4: Handlungsempfehlungen an Autohersteller

Die Daten zeigen, dass die Schwestermarken Kia und Hyundai ganz offenbar die gleiche Plattform teilen. Abgesehen von der Ladeleistung zeigen sich sehr ähnliche Handlungsschwerpunkte. Renault, einer der Pioniere der Elektromobilität, konnte die langjährige Erfahrung noch nicht in überzeugende Produktkonzepte umsetzen. Auch die Daten von Skoda und VW zeigen deutlich, dass die Modelle auf der gleichen Plattform basieren und deshalb ähnliche Probleme haben. Trotzdem schneidet Skoda in der Weiterempfehlung besser ab als VW, was zu einem großen Teil auf die unterschiedliche Erwartungshaltung zurückzuführen ist.

Abb. 5: Handlungsempfehlungen an Autohersteller

Aiways punktet bei den wichtigen EV-spezifischen Kriterien von Verbrauch und Reichweite, hat aber großen Handlungsbedarf bei allen anderen Aspekten. Fiat-Fahrerinnen und -Fahrer bemängeln die Connect-App, die hinter ihren Erwartungen zurückbleibt. Der Honda E hat nur eine geringe Reichweite. Was die Nutzerinnen und Nutzer aber mehr ärgert, ist die geringe Ladeleistung und die Connect-App. Das Haupthandlungsfeld des Nissan Leaf ist die geringe Ladeleistung und der inzwischen unübliche CHAdeMO-Stecker. Opel und Peugeot zeigen abgesehen von der Ladeleistung große Handlungsbedarfe bei nahezu allen Kriterien, die ein gutes Elektroauto ausmachen.

Wann werden Elektroautos besser als Verbrenner?

Wer bis hier gelesen hat, ahnt die Antwort: „Besser“ ist subjektiv und die Streuung unter den Marken ist zu groß für eine Verallgemeinerung. Trotzdem wagen wir einen Vergleich. Die NPS-Werte großer Automarken aus Verbrennerzeiten liegen zwischen 30 und 40 (horizont.net, hubspot.de). Die Werte vieler e-Modelle liegen heute bereits deutlich über diesen Werten. Ja, die Reichweite bleibt eine Herausforderung, aber eAutos können bereits heute Vieles besser als Verbrenner. In den Augen der Early Majority haben eAutos also bereits auf Verbrenner aufgeschlossen und sie teilweise auch überholt.

Wir werden die EV-Benchmarking-Studie im kommenden Jahr wiederholen und sind gespannt, wie die Entwicklung der eAutos weitergeht!

Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier.
Graphiken zum Download finden Sie hier: Weiterempfehlungsquote der eAutoMarken, Haupthandlungsbedarfe der eAuto-Hersteller

Dr. Axel Sprenger